Der japanische Pianist Shingo Inao nutzt Konzertflügel und selbst entwickelte und programmierte Sensor-Instrumente, um sein Publikum auf eine performative Reise durch bekannte Rezitative der klassischen Musik mitzunehmen. Dabei nimmt er, während seines Spiels, die Töne des Klaviers auf und moduliert diese durch Bewegungen seines linken Arms, an dem Sensoren angebracht sind. So spielt er auf dem Konzertflügel und erzeugt gleichzeitiig die elektronisch artifiziellen Töne, die den live gespielten Klang des Klaviers in Echtzeit wiedergeben. Durch diese Gestensteuerung erzielt er Effekte, die einem Theramin nicht unähnlich sind und die das klassische Klavierspiel um eine seh- und hörbare Dimension erweitern.
Eine zweite Besonderheit ist das Konzept seiner Auftritte: Er sucht sich jeweils mehrere Motive eines Orchesterwerks oder einer Oper als Struktur und improvisiert entlang dieser Motive in der Tradition des Jazz. So entsteht aus dem Zusammenspiel des klassischen Konzertflügels, der – durch Gestensteuerung erzeugten – elektronischen Modulationen und der freien Improvisation eine einzigartige Performance, die das Publikum in den Bann zieht.
Das Projekt: Richard Wagner Rheingold ohne „h”. Reingold-Improvisation von Shingo Inao
Bereits Ende 2016 wurde in Kooperation mit Büro Himmelgrün, Baensch-Studio und Steingraeber Klaviermanufaktur das Projekt „Reingold” konzipiert. Die Idee: eine fiktive Neuinterpretation der Nibelungensaga, Grundlage von Wagners Rheingold sowie des Ring des Nibelungen. Dafür wurde die nordische Thidrekssaga – die literarisch freiere und zeitgleich entstandene nordische Interpretation der Nibelungen-Geschichte – als Ausgangspunkt genommen, um die geschichtlich belegten Wikinger-Beutezüge den Rhein aufwärts mit beiden Sagen zu verweben. Das Ergebnis: Reingold – der Ring der Wikinger, eine altnordische Dichtung in 3 Versen – als Grundlage für Singo Inaos „Rheingold”-Interpretation.
Teil 1: Richard Wagner Museum Bayreuth – ein Konzert für DJ und Shingo Inao am Flügel

Die erste Aufführung des Reingold-Zyklus fand im Juni 2017 in der Austellunghalle des Richard Wagner Museums statt – im Rahmen der studentisch kuratiertenVernissage: „Der Wagner-Komplex”. Diese Aufführung gründete auf einer Collaboration mit dem Baensch-Studio, verantwortlich für Visual Design und Video, Trashure Island, einem Vinyl-Artist, sowie Shingo Inao am Flügel. Das Publikum begleitete dabei die musikalische Reise der Wikinger von Island über England und Holland den Rhein aufwärts bis zum Ort, wo man den Nibelungenschatz vermutet. Zu Gehör gebracht mit klassischen und zeitgenössischen Stücken von Komponisten, die an dieser (fiktiven) Route leben und arbeiten. Die Auswahl dieser Werkfragemente auf Vinyl erzeugten durch die Collagierung einen (fluss-) fließenden Klangteppich – und damit ein neues Hörerlebnis von scheinbar bekannten bekannten Kompositionen (aus Klassik, der Neo-Klasssik, der elektronischen Musik und des Post-Rock). Dargeboten im Wechsel mit Shino Inaos live performten Reingold-Improvisationen auf einem Steingraeber Konzertflügel.
Teil 2: Steingraeber Kammermusiksaal – Lesung und konzertante Aufführung
Die zweite Aufführung fand im September 2020 im Kammermusiksaal der Klaviermanufaktur Steingraeber statt. Ein Ort, der bekannt und geschätzt für das Experimentieren mit klassischer Musik ist. Shingo Inao präsentierte dabei auch ein neues Sensor-Instrument, das einem Fitness-Armband gleicht und er durch Muskelkontraktionen steuert. So entsteht eine neue performative, fast schon tänzerische, Live-Performance – im Mittelpunkt aber immer: der Flügel.
Im Rahmen der Lesung – vor Beginn des Konzerts – stellte Dr. Katharina Fink dem Publikum die Publikation „Der Ring der Wikinger” aus ihrem Verlag Himmelgrün vor. In einer Nacherzählung der dain enthaltenen Geschichte wurde dem Publikum diese fiktive nordische Interpretation der Nibelungensaga nahegebracht.

Danach begeisterte Shingo Inao den ausverkaufen Saal mit seiner Improvisationstechnik über die – für Musikkenner klar erkennbaren – Rheingold-Motive aus Richard Wagners Oper. Auch durch die körperlichen Bewegungen des Pianisten entsteht eine Atmosphäre, die selbst Klassiker wie Richard Wagners Rheingold in eine zeitgenössische, gänzlich entstaubte, fließende Atmosphäre transformiert. Getreu dem Wagner-Motto: „Kinder, wagt Neues”.
Teil 3: live and solo – die CD-Präsentation „Reingold” anlässlich der Bayreuther Festspiele
Geplant ist nun, Shino Inao’s Reingold während der Bayreuther Festspiele im Sommer 2021 als CD-Präsentation zu performen. Aktuell stellt Shingo Inao aus den während der beiden Konzerte aufgezeichneten Aufnahmen ein weiters Konzert-Programm zusammen. Diese spielt er aktuell im Studio neu ein und bearbeitet sie entsprechend. Das Ergebnis wird im Sommer 2021 als CD vorsgestellt – natürlich im Rahmen eines dritten Solo-Konzertes von Shingo Inao. Diese CD ist dann Beleg und Abschluss des Reingold-Projekts.
Ziel des Projekts Reingold war von Anfang an, neue Wege der klassischen Musikrezeption zu erschließen. Auch um der klassischer Musik neue – und jüngere – Publika zu erschließen, die bisher wenig Berühungspunkte mit klassischer Musik hatten. Aktuell hoffen wir, dass uns die Pandemie keinen Strich durch die Rechnung macht. Und wenn, dann findet die CD Präsentation ein Jahr später im Bayreuther Festspiel-Sommer 2022 statt.

Weiterführende Links:
Die offizelle Website des Künstlers Inao
Büro Himmelgrün und iwalewabooks
Rezension in „Der Opernfreund” (bitte weit hinunter
bis 27.5.2017 scrollen): Reingold oder der Ring der Wikinger


